Ein teurer "neuer alter" Ball

Auf der Legends Tour reist nicht jeder Pro mit eigenem Caddie. Beim Swiss Seniors Open nutzen deshalb gute Amateurgolfer die Chance, einmal im Jahr am Bag eines Tour Pros zu stehen, Tour-Luft zu schnuppern und fürs eigene Spiel etwas zu lernen.

Als Caddie ist man bei einem Tour-Event mittendrin statt nur dabei, zugleich aber sind die Frauen und Männer an den Bags auch sehr gefordert, denn mit dem Schieben des Trolleys ist es längst nicht getan; je nach Witterung und Spielverlauf hat ein Caddie auf der Tour alle Hände voll zu tun. Sportlich-ambitionierte Amateure aber wissen, dass man am Bag eines Tour Professionals viel fürs eigene Spiel lernen kann. Fünf Volunteer Caddies des Swiss Seniors Open plaudern aus dem Nähkästchen.

Ladina Semadeni: «Ich war 2019 am Bag von Andrew Oldcorn. Als Mitglied des Golf Club Bad Ragaz kenne ich den Platz gut, Andrew hat mich wohl auch deshalb jeweils die Putt-Linie lesen lassen. Er sagte, meine Meinung gebe ihm auf den Grüns eine gewisse Sicherheit. Ich fühlte mich schon sehr geehrt, dass er mich überhaupt nach meiner Meinung fragte, dass er auch noch so viel Wert auf meine Einschätzung legte, war umso schöner. Sehr speziell war es am Sonntag im letzten Flight um den Titel zu kämpfen – allein schon der vielen Zuschauer wegen. Ich wäre in Andrews Situation bestimmt nervös geworden, ihm aber hat man nichts angemerkt.» Ganz zufällig war die Spitzenamateurin am Finaltag nicht an Oldcorns Bag, da hatte der Schotte kräftig nachgeholfen – dies, nachdem Ladina Semadeni fürs Mittwochs-ProAm kurzfristig bei Oldcorn eingesprungen war und den Tour Professional bereits auf den ersten beiden Bahnen begeistert hatte. Die kurze Wartezeit an der dritten Tee-Box soll Oldcorn am Mittwoch für einen Anruf im Clubhaus genutzt und dabei den nachdrücklichen Wunsch platziert haben, diese Topgolferin für die gesamte Woche an sein Bag zu delegieren. Mit Erfolg. Der Kontakt zwischen den beiden ist auch nach dem Swiss Seniors Open 2019 nicht abgerissen. «Andrew schickte Weihnachtsgrüsse, und als ich Anfang 2020 das South African Women’s Amateur gewann, gratulierte er mir.»

Wolfgang Kopf: «Ich bin immer wieder als Caddie beim Swiss Seniors Open im Einsatz. Besonders gerne erinnere ich mich ans Jahr 2018 zurück; damals war ich am Bag von Phil Price. Die erste Lektion lernten einer der Amateure in Phils ProAm-Flight und meine Wenigkeit als Caddie gleich am Mittwochabend. Besagter Amateur, ein Singlehandicapper, der den Ball gleich lang schlägt wie der Tour Professional, fragte beim Apéro, warum er zehn Schläge mehr benötigt habe als der Pro. Phil antwortete ihm: ‹Du spielst ein tolles Golf, aber jedes Mal, wenn dein Abschlag nicht mittig auf der Bahn liegt, machst du ein unzufriedenes Gesicht, und wenn du im Bunker liegst, jammerst du. Denk daran, es ist nur eine Lage. Wenn du die Lage deines Balls akzeptierst und auf den nächsten Schlag fokussierst, wirst du besser scoren.» Zwei Tage später lernte Caddie Wolfgang Kopf, ebenfalls ein Singlehandicapper des GC Montfort Rankweil, eine weitere Lektion: «Phils Ball lag auf dem ersten Grün etwa 40 cm vom Loch entfernt. Er nahm den Putter, trat mit seiner üblichen Routine an den Ball – und seine Hände begannen zu zittern. Er ging weg, richtete sich neu aus – die Hände zitterten wieder. Also nochmals weg vom Ball, die Putt-Routine von Neuem starten, und dann im dritten Anlauf zum Par lochen. Auf dem Weg zum zweiten Abschlag sagte Phil, er sei gerade ein klein wenig nervös gewesen und sehr froh, den Ball gelocht zu haben. Die Löcher 2, 3 und 4 spielte er jeweils Birdie.» Kopf’s Fazit: «Auch Pros können – und dürfen – auf dem Platz mal nervös sein!»

Joachim Gantner: «Nachdem ich 2013 von den Turnierorganisatoren dem Engländer Steve Cipa zugeteilt wurde, war ich drei Jahre lang sein Bad-Ragaz-Caddie. Wir verstanden uns auf und neben dem Platz ganz gut, Steve beendete das Turnier 2013 auf Rang 8 und fragte mich im folgenden Jahr direkt an, wieder an sein Bag zu kommen», erzählt der Singlehandicapper. «2014 spielte Steve in der zweiten Runde 17 Pars und ein Bogey, kassierte aber zwei Strafschläge, was eine 73 auf der Scorekarte ergab. Spannend war die Art und Weise, wie es zu diesen Strafschlägen gekommen ist – Steve hatte einen falschen Ball gespielt, aber nicht irgendeinen Ball, der auf dem Platz gelegen wäre, sondern einen falschen Balltypen – einen Titleist Pro V1x der Vorjahresserie!» Wie das passieren konnte? «Steve tauschte nach jeweils neun Löchern den gespielten Ball gegen einen nagelneuen aus. Ich gab ihm am zehnten Abschlag – wie immer – einen neuen Ball. Er schaute diesen an und sagte ‹this one is not new›, griff dann selbst ins Bag, teete auf und schlug den Ball schnurgerade den Fairway hinunter. Auf dem Grün stellte er fest, dass der ‹neue› Ball über eine schwarze Markierung verfügte, folglich also aus dem Vorjahr stammte. Die Front Nine aber hatte Steve mit einem Modell aus der aktuellen Serie – mit grauer Markierung – absolviert.» Das Wechseln des Ballmodells während der Runde stellt auf der Tour einen Regelverstoss dar, den Cipa natürlich meldete. «Als ich ihn fragte, warum er sich selbst die zwei Strafschläge gegeben hat, antwortete er nur, er glaube an Karma.» Nach den drei Jahren an Cipas Bag wechselte Joachim Gantner als Volunteer ins Media Team, seither twittert er während des Swiss Seniors Open live vom Platz. Einzig 2018 sprang er für die Finalrunde nochmals als Caddie ein. Bei Cesar Monasterio, mit dem ihn eine witzige Geschichte verbindet: Die Airline hatte das Golfgepäck des Argentiniers nicht rechtzeitig in die Schweiz transportiert, die Proberunde absolvierte Monasterio mit einem Leihset, dessen Graphitschäfte überhaupt nicht zum kräftigen Schwung des Tour Professionals passten. «Als am ersten Turniertag Monasterios Bag noch immer nicht in Bad Ragaz war, machte unter den lokalen Caddies die Frage die Runde, wer mit Schlägern aushelfen könnte – Stiff-Schäfte bevorzugt», erinnert sich Gantner lachend. Schliesslich ging der Argentinier mit den Eisen von Clubsekretär Philipp Kopf sowie Gantners Wedges und Hölzern auf die erste Runde. Worüber der ambitionierte Hobbygolfer noch heute staunt: «Auf der Eins schlug Cesar den Ball 35 Meter vors Grün – mit meinem Holz 3, das meine Bälle bestenfalls bis zur Hundertermarke befördert. Vom gelben, nicht vom weissen Abschlag, wohlgemerkt…»

Cathrin Kratzla: «Als mein Mann Thomas das erste Mal die Aufgabe eines Caddies übernommen hatte, wussten wir noch nicht, was uns erwartet. Thomas wurde Miguel Angel Martin zugeteilt, der sehr nett, aber prinzipiell etwas distanziert war. Auf der Runde forderte er Thomas’ Dienste sehr professionell, klar strukturiert und distanziert ein. Der Caddie hatte schlicht und einfach zu funktionieren – nicht mehr, aber auf gar keinen Fall weniger. Nach der Runde fragte Miguel, was er schuldig sei. Als Thomas antwortete, Miguel schulde ihm gar nichts, er mache das freiwillig, wirkte der Spanier äusserst irritiert. Damit hatte er nun gar nicht gerechnet! Aber dieser Moment veränderte die Zusammenarbeit der beiden massgeblich, es entstand ein schönes Miteinander bei der Arbeit auf dem Platz. Zwei Jahre später konnte Thomas aus geschäftlichen Gründen die Caddieaufgabe nicht wahrnehmen, also sprang ich ein. Schliesslich kannte ich Miguel bereits. Für ihn war deshalb klar, dass mein Job bereits auf der Driving Range beginnt: Von anderen Pros und professionellen Caddies wurde mir bereits beim Einspielen gezeigt, wie ich die Schläger richtig zu putzen, die Rillen zu reinigen und alles weitere zu tun habe. Konditionierung von Anfang an! Die für mich wohl überraschendste Erfahrung machte ich dann bei unserer ersten gemeinsamen Turnierrunde. An der ersten Teebox angekommen, verwandelte sich der lustig-lockere Miguel schlagartig in einen stark fokussierten und konzentrierten Profisportler.» Seither sorgt die deutsche Caddie-Frau am Bag des Spaniers immer mal wieder für Heiterkeit, wenn sie den Trolley in unmittelbarer Nähe und nicht genau auf dem vom Pro gewünschten Punkt platziert und er dann unmissverständlich kundtut, wo sein Werkzeug zu stehen hat. Trotz der für Schweizer Ohren oftmals schroff klingenden Wortwechsel der beiden hat sich zwischen dem Ehepaar Kratzla und dem spanischen Professional über die Jahre eine gute Freundschaft entwickelt, die dank moderner Kommunikationsmittel fleissig gepflegt wird.

Karl Heinz Meyer: «Als ich mich erstmals als Caddie zur Verfügung stellte, tat ich das in der Erwartung spannender Erlebnisse – und in der Hoffnung bei den Tour Pros einiges lernen zu können, was meinem eigenen Spiel weiterhilft. Als routinierter Golfer war ich überzeugt dem Job gewachsen zu sein. Nun ja, während der ersten neun Löcher am Bag von Peter Mitchell war ich dann aber doch etwas überfordert, ich musste mich erst an den für mich ungewohnten Rhythmus gewöhnen. Vor allem der Schlag ins Grün bringt Caddies ins Schwitzen: Der Pro macht seinen Schlag, das Divot fliegt 20 Meter, der Pro will das Eisen abgenommen und den Putter in die Hand gedrückt bekommen, und während er schon Richtung Grün marschiert, muss der Caddie das Divot holen und einsetzen, mit geschultertem Bag zügig schreitend das Eisen putzen und mit dem feuchten Tuch rechtzeitig am Grün auftauchen, um den Ball des Pros zu reinigen und eventuell die Fahne zu bedienen – und dabei bitte in keine der drei oder vier Puttlinien treten.» Da bleibt dem Caddie kaum Zeit zum Atmen. Mittlerweile hat der Singlehandicapper des GC Montfort Rankweil aber Caddie- Routine entwickelt und Spass am jährlichen Einsatz beim Swiss Seniors Open, wo er bisher am Bag von fünf verschiedenen Legends-Tour Professionals im Einsatz gestanden hat. «Fünf Pros, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Der eine trinkt auf der Runde fast nichts, der andere hat ständig eine Wasserflasche in der Hand. Der eine redet viel, der andere schweigt 18 Löcher lang. Der eine reagiert emotional, der andere bleibt völlig ruhig. Der eine sieht dich als Mitglied seines Teams, für den anderen bist du nur ein Gepäckträger.»

 

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